Foto: detailblick-foto - adobe.stock.com - Die Corona-Pandemie hat vielfältige Auswirkungen auf die seelische Gesundheit.
08.04.2021 Evangelisches Krankenhaus

Corona-Pandemie: Wissenschaftliche Studien und Tipps für den Alltag

Chefarzt PD Dr. med. Fritz-Georg Lehnhardt im Medizindialog: „Psychische Folgen der Corona-Pandemie - was ist bisher bekannt?“

Chefarzt PD Dr. med. Dr. Fritz-Georg Lehnhardt

Chefarzt PD Dr. med. Dr. Fritz-Georg Lehnhardt

Zahlreiche praktische Tipps, um möglichst gesund durch die Krise zu kommen, gibt PD Dr. med. Fritz-Georg Lehnhardt, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Evangelischen Krankenhauses Bergisch Gladbach (EVK) in seinem Videovortrag unter dem Titel „Psychische Folgen der Corona-Pandemie - was ist bisher bekannt?“ (YouTube-Link). Er weist aber auch darauf hin, dass die Selbsthilfemaßnahmen nicht immer ausreichen können. Dann sei der Zeitpunkt gekommen, sich professionelle Hilfe zu holen, so der Referent, der einen Überblick über die wichtigsten wissenschaftlichen Studien zu den psychischen Folgen der Pandemie gibt.

Man kann mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen versuchen, die psychischen Belastungen durch die Corona-Pandemie so gering wie möglich zu halten. Hierzu zählen die Beibehaltung von Routinen und strukturierten Tagesabläufen, ein möglichst gesunder und aktiver Lebensstil sowie die Orientierung an Bewältigungsstrategien, die einem bereits in früheren Lebenskrisen geholfen haben.

Ängste und Sorgen sind vielfältig

Corona kann vielfältige Ängste und Sorgen auslösen, etwa um die eigene Gesundheit - sofern man zur Risikogruppe wegen Vorerkrankungen oder des Alters zählt - oder um die Gesundheit von Angehörigen. Angstauslösend können aber auch die gesundheitspolitischen Maßnahmen wie zum Beispiel soziale Distanzierung, Quarantäne oder finanzielle Beeinträchtigungen sowie ein drohender Jobverlust sein. Der übermäßige Konsum von sozialen Medien kann ebenfalls dazu beitragen, Ängste zu entwickeln oder die Furcht, sich in einer Gesundheitseinrichtung wie einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis anzustecken. Angst kann auch die Tatsache machen, dass bisherige Angebote professioneller (psychosozialer) Hilfen plötzlich wegen des Lockdowns nicht mehr vorhanden sind.

„Vor dem Hintergrund des bisher beispiellosen Ausmaßes der COVID-Pandemie ist die Berücksichtigung auch der psychischen Gesundheit im Krisenmanagement, z.B. durch die Förderung psychologischer Gesundheitsdienste, ein höchst dringlicher Aspekt“, bilanziert Dr. Lehnhardt mit Blick auf die von ihm ausgewerteten Studien.

Die durch Corona ausgelösten Ängste können verschiedene Folgen haben: Sie beeinflussen unser Denken, Fühlen und Handeln und weil das Thema und die durch Corona ausgelöste Bedrohung so allgegenwärtig sind, könne man nur sehr schwer hierzu Distanz halten, so der Chefarzt, woraus eine „irrationale Corona-Angst“ entspringen könne. Diese Angst triggert gesellschaftlich oder individuell schädliches Verhalten wie am Beispiel von Hamsterkäufen in der ersten Welle vor einem Jahr oder einem in den Studien nachweisbar verstärkten Suchtverhalten deutlich wird. Die Corona-Angst kann ferner schwerere Krankheitsverläufe begünstigen, weil Menschen nicht mehr wie gewohnt zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen und eine notwendige Diagnostik und Therapie ausbleibt. „Corona-Ängste können auch ansteckend sein und zwar von den Eltern auf die Kinder“, berichtet Dr. Lehnhardt.

Zunahme bei psychischen Erkrankungen

Wissenschaftliche Autoren gehen davon aus, dass psychische Erkrankungen deutlich zunehmen werden und diese Zunahme ungleich verteilt ist. Die Risiko-Population ist durch psychische Vorbelastung, niedriges Einkommen oder schwache soziale Ressourcen charakterisiert.

Von früheren Corona-Ausbrüchen ist bekannt, dass sich bereits während der Quarantänemaßnahmen in der Bevölkerung erhöhte psychische Belastungen zeigen, die sich in Depressivität, Ängstlichkeit, Schlafstörungen und Suchterkrankungen äußern. Verstärkend wirken sich die Dauer der Quarantäne, Einkommenseinbußen sowie Alltagseinschränkungen aus. „Mitarbeiter im Gesundheitswesen und Personen mit psychischen Vorerkrankungen waren besonders vulnerabel“, erklärt Dr. Lehnhardt. Weniger gravierend sind die Folgen, wenn klare Informationen aus seriösen Quellen kommuniziert werden und soziale Unterstützung vorhanden ist.

Eine Meta-Analyse der ersten Welle vom vergangenen Frühjahr hat gezeigt, dass erhöhte psychische Belastungen bei 44 Prozent der Bevölkerung nachweisbar sind und in den USA ergab eine Vorher-Nachher-Studie eine um Faktor drei erhöhte Verbreitung von Depressionen zu Beginn der Pandemie. Risikofaktoren sind auch hier wieder geringere soziale Ressourcen, geringeres Einkommen und mehr Stress, der zum Beispiel durch den Verlust des Arbeitsplatzes ausgelöst wird.

Interessante Studienergebnisse

Eine Vorher-Nachher-Studie in Deutschland zu den psychischen Auswirkungen der Pandemie gab aber auch interessante Hinweise auf Faktoren, die zu geringeren negativen psychischen Folgen führten. Zu diesen sogenannten protektiven Faktoren zählen soziodemografische Variablen, ältere Personen sind demnach weniger betroffen und auch Menschen mit einem höheren Bildungsniveau. Resilient, also widerstandsfähig, sind weiterhin Personen mit einer hohen Gewissenhaftigkeit, großem Optimismus, einer geringen Grübelneigung und einer hohen Selbstwirksamkeits-Erwartung, also der Annahme, dass sie durch eigenes Tun viel bewegen und bewirken können.

„Die Resilienzfaktoren haben einen großen Einfluss darauf, ob sich psychische Probleme entwickeln oder nicht“, so der Referent. Wer dagegen einen schädlichen Medienkonsum durch fragwürdige Quellen vor allem auf Social-Media-Kanälen länger als 2,5 Stunden täglich pflegt, läuft einer aktuellen Studie zufolge verstärkt Gefahr, Angst und depressive Symptome aufzuweisen.

Dr. Lehnhardt spricht sich dafür aus, mit spezifischen gesundheitspolitischen Maßnahmen auf die psychischen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren. Hierzu zählen mit Blick auf die Allgemeinbevölkerung finanzielle Hilfen und die Förderung des Zusammenhalts und bei den Risikogruppen das Aufrechterhalten eines niedrigschwelligen Zugangs zu Hilfesystemen sowie bei den psychisch Erkrankten die Identifikation von Versorgungslücken und das Wiedereröffnen der psychosozialen Versorgungsangebote.

Jeder Einzelne kann nach Darstellung des Referenten eine ganze Menge tun, um die psychische Belastung durch die Pandemie zu reduzieren.

Aktivitäten zum Erhalt des Wohlbefindens

  • Körperliche Aktivität (Yoga, Pilates, Krafttraining, Konditionstraining)
  • Kognitiv aktiv bleiben (Spiele, Sudoku, Kreuzworträtzel)
  • Gesunde Ernährung
  • Entspannungsübung (Atemübungen, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen)
  • Lesen von Büchern und Magazinen
  • Reduktion der Beschäftigung mit bedrohlichen Medieninhalten
  • Reduktion der Beschäftigung mit Gerüchten
  • Informationsbeschaffung nur in zuverlässigen Quellen
  • Informationsbeschaffung eher ein bis zwei Mal pro Tag als stündlich
  • Tagesroutinen so weit wie möglich aufrechterhalten
  • Gefühl von Kontrolle herstellen durch Setzen von konkreten Zielen (beispielsweise Tagebuchschreiben oder etwas Neues lernen)
  • Humor behalten: Humor wirkt gegen negative Gefühle, Lachen und Lächeln können Angst und Stress reduzieren
  • Auch extreme Emotionen akzeptieren

Ihr Ansprechpartner am EVK

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Chefarzt-Team  Veronika Friedel und Priv.-Doz. Dr. med. Fritz-Georg Lehnhardt
Sekretariat:Frau Rother, Frau Gasch
Tel: 02202 122 - 3100
Fax: 02202 122 - 3109
Mail: psychiatrie@evk.de

Krisentelefon der psychiatrischen Institutsambulanz am EVK
Telefon: 02202 – 122 – 3522, Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr

Text: Robert Schäfer