Foto: EVK Bergisch Gladbach - Chefarzt PD Dr. med. Payman Majd und Oberarzt Thomas Herzmann besprechen die Behandlung (Foto vor Corona).
04.12.2020 Evangelisches Krankenhaus

Den stillen Mörder gefasst

Elli Riesinger, Journalistin beim Kölner Stadt-Anzeiger, wurde mit einem neuen Verfahren der Gefäßchirurgie behandelt – Ein Erfahrungsbericht.

Von Elli Riesinger

Der stille Mörder ist gefasst. Die tickende Zeitbombe in meinem Bauch muss mir keine Angst mehr machen. „The silent Killer“–„der stille Mörder“ nennen Engländer ein Bauchaortenaneurysma (BAA). Viele berühmte Männer starben an einer Ruptur des Aneurysmas: wie etwa Albert Einstein 1955 in Princeton im Alter von 76 Jahren. Ein BAA wird in der Regel zufällig entdeckt. Beschwerden macht es keine, wächst aber im Körper stetig weiter und kann hierdurch zu einer großen Gefahr werden.

Eine zufällige Entdeckung

Wenn ein BAA reißt, sind die Überlebenschancen gering. Daher der Name „stiller Mörder“. Auch mein BAA entdeckt mein Hausarzt in Overath-Heiligenhaus zufällig bei einem Ultraschall der Bauchorgane. Über etliche Jahre wird dessen Wachsen überwacht. Anfang 2020 ist es dann soweit. Es wird zu gefährlich. Das Aneurysma hat einen Durchmesser von über 50 Millimetern – die kritische Marke ist erreicht.

Eine Operation muss Abhilfe schaffen. Just zu dieser Zeit wird in der Gefäßchirurgie des Evangelischen Krankenhauses Bergisch Gladbach ein neues OP-Verfahren implementiert. Minimal-invasiv wird eine Prothese in der Bauchaorta eingesetzt, das Aneurysma ausgeschaltet. PD Dr. med. Payman Majd ist seit Januar 2019 Chefarzt der Gefäßchirurgie am EVK. Er führt dieses neue Verfahren ein. Ich bin die vierte Patientin, die in den Genuss dieser schonenden OP-Methode kommt und als geheilt entlassen wird.

Verfahren von der Uni-Klinik mitgebracht

„Es lag in meiner Hand und hat Anlauf gebraucht“, erklärt Dr. Majd, warum diese OP-Methode nicht gleich 2019 eingeführt wurde. Im Januar des vergangenen Jahres kam Dr. Majd von der Uni-Klinik Köln, wo er als Leitender Oberarzt dieses Verfahren ständig anwandte: „Ich habe im EVK mein OP-Team aufgebaut, Schwestern und Pfleger mit diesem minimal-invasiven Verfahren vertraut gemacht und mit den Kollegen der Anästhesie dieses Verfahren abgestimmt.“

Notfallmäßig kam das Verfahren schon Anfang des Jahres 2019 erstmals zum Einsatz. Eine Patientin war mit starken Brustschmerzen eingeliefert, der zunächst bestehende Verdacht auf Herzinfarkt ausgeräumt worden. Der 77-Jährigen war im Brustkorb ein Aneurysma geplatzt. Mit dem Chefarzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Dr. Manfred Molls, rettete Dr. Majd der Patientin mittels minimalinvasiver Methode das Leben.

Dr. Majd ist auch in der Lehre tätig, gibt sein großes Fachwissen an Studenten weiter: „Stellt euch vor, ihr seid Arzt in Afrika und habt nicht immer „alle technischen Geräte“ wie CT und Ultraschall zur Verfügung. Befragt die Patienten, untersucht sie körperlich, setzt eure Instinkte ein“, lautet sein Credo.

Die Zeitbombe tickt

Und dann ist es für mich soweit. Ich bekomme den Anruf aus der Klinik: den erwarteten, aber auch den befürchteten – mein OP-Termin ist festgelegt. Ausflüchte helfen nicht. Die Zeitbombe tickt. Inzwischen hat das BAA einen Durchmesser von 57 Millimetern. Zum Glück weiß ich das nicht und lese es erst später im Entlassungsbericht. Mein Sohn bringt mich ins EVK, muss aber vor der Tür bleiben. Auch das noch. Corona lässt grüßen.

Ich werde auf Station 3A freundlich aufgenommen und am Vorabend von Assistenzarzt Mahmoud Tayeh auf alle Risiken hingewiesen. Nur, habe ich überhaupt eine Wahl? Dr. Majd kommt in mein Zimmer, beruhigt mich, spricht von einer Operation „light“. Nur die linke Niere müsse an die Prothese angeschlossen werden. Ich sei am kommenden Morgen gleich als Erste dran. An Schlaf ist natürlich nicht zu denken. Schwester Laura macht mich mit netten Worten fachkundig am frühen Morgen bereit.

Noch im Vorraum zum OP denke ich „an Flucht“. Der nette Pfleger, der mitmir auf den Chef-Anästhesisten Dr. Molls wartet, ist Schalke 04-Fan. So viel weiß ich noch.

Die OP ist perfekt verlaufen

Dann werde ich erst auf der Intensivstation wieder wach, blicke in das freundliche Gesicht von Schwester Melanie. Die OP ist perfekt verlaufen. Schon am nächsten Morgen werde ich auf die Normalstation verlegt.

Dr. Majd erklärt mir die OP: Eswerden zwei Leistenschnitte gemacht und durch eine Leiste ein weicher Draht in die Aorta eingeführt, über den ein Katheter geschoben wird. Dann wird der weiche Draht durch einen harten ersetzt. Über den Draht wird die Prothese geschoben und befestigt, alle Schritte fortlaufend über Röntgenbilder überwacht.

Der Operateur muss immer genau die Abgänge sehen. Die Prothese geht langsam auf, muss gleich akkurat sitzen. Drei Vertreter der Firma aus England, die meine Prothese für mich angefertigt haben, sind bei der dreistündigen Operation dabei. Ich bin so froh. Der stille Mörder ist besiegt.

Bauchaortenaneurysma (BAA)

Ein Bauchaortenaneurysma (BAA) ist eine Aussackung der Bauschlagader, die im gesunden Zustand einen Durchmesser von zwei Zentimetern hat. Ab drei Zentimetern spricht man von einer aneurysmatischen Ausweitung. Risikofaktoren sind: rauchen, langjähriger Bluthochdruck, Arteriosklerose – die krankhafte Einlagerung von Cholesterinestern und anderen Fetten in die innere Wandschicht arterieller Blutgefäße – Veranlagung und Bindegewebsschwäche. Bei Männern ab 65 Jahren übernehmen die Krankenkassen die Kosten einer Voruntersuchung, eines Ultraschall-Screenings des Bauchraumes. Eine für jeden Patienten individuell angefertigte Prothese wird in die Bauchaorta implantiert.

Text: Elli Riesinger

Dieser Artikel ist am 06. August 2020 im Kölner Stadt-Anzeiger erschienen.