Dr. Matthias Brütting, Leitender Oberarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie mit Koloproktologie, hat mit den beiden neuen Methoden gute Erfahrungen gesammelt - (Foto Susanne Prothmann).
12.04.2022 Evangelisches Krankenhaus

Hämorrhoiden schonend entfernen

Zwei neue Verfahren am EVK Bergisch Gladbach ermöglichen kurze Eingriffe und weniger Schmerzen.

Viele sind davon betroffen, doch keiner spricht gerne darüber: Hämorrhoiden. Dabei leidet fast jeder zweite Erwachsene in seinem Leben unter schmerzhaften Hämorrhoiden. Die Folgen und Behandlungsmethoden waren bisher recht unangenehm. Daher scheuen viele Menschen den Gang zum Arzt. Mittlerweile stehen jedoch statt schmerzhafter Operationen sanfte Behandlungsmethoden zur Verfügung, die unter der Bezeichnung HAL und RAR firmieren. Am Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach hat Dr. Matthias Brütting, Leitender Oberarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie mit Koloproktologie, mit den beiden Methoden gute Erfahrungen gesammelt. Mit HAL und RAR werden die beiden Schritte während der OP beschrieben, nämlich erstens das ultraschallgesteuerte Aufsuchen der zuführenden Blutgefäße zu den Hämorrhoiden (HAL - Hämorrhoidal Arterien Ligatur) und zweitens eine Raffungsnaht, um den Vorfall der Hämorrhoiden zu beseitigen (RAR - Recto Anal Repair). Dr. Brütting: „Der Vorteil ist der kurze Eingriff und die deutlich geringeren Schmerzen gegenüber den konventionellen Hämorrhoiden-Operationen.“

Was sind Hämorrhoiden?

Hämorrhoiden sind natürliche Schleimhautpolster aus Venengeflechten, Bindegewebe und Muskelfasern im untersten Teil des Mastdarmes, die neben dem eigentlichen Schließmuskel für den Feinverschluss des Enddarmes (die Feinkontinenz) verantwortlich sind. In Ruhe verschließen die Hämorrhoidalpolster den Enddarm und müssen bei der Stuhlentleerung kleiner werden, um den Durchtritt von Stuhl zu ermöglichen.

Die Hämorrhoidalpolster sind normalerweise im Bereich des Schließmuskels im Enddarm durch Bindegewebs- und Muskelfasern befestigt. Wird diese „Aufhängung“ aus unterschiedlichen Gründen geschädigt, gleitet die Schleimhaut mit den Polstern nach unten. Dadurch kommt es zu einer Abflussbehinderung des Blutes und damit zu einer krankhaften Vergrößerung und Verlagerung der natürlichen Hämorrhoidalpolster, die in vier Grade eingeteilt werden:

  • Grad I:  Analkanal mit leicht erweiterten Hämorrhoiden
  • Grad II: Analkanal mit erweiterten Hämorrhoidalpolstern, die beim Pressen heraustreten und sich von selbst wieder zurückziehen
  • Grad III: Stark erweiterte Hämorrhoiden, die sich nur manuell wieder in den Analkanal zurückschieben lassen
  • Grad IV: Sehr stark erweiterte Polster, die dauerhaft herausragen

Ursachen für Hämorrhoidalleiden

Es gibt viele mögliche Ursachen für die Erweiterung der Hämorrhoiden, die nicht bei jedem Betroffenen eindeutig festgestellt werden können. Hämorrhoidalleiden werden auf jeden Fall gefördert durch:

  • zu starkes Pressen bzw. zu harten Stuhl
  • Schwangerschaft
  • Bindegewebsschwäche
  • „ungesunde” Lebensführung: wenig Bewegung, schlechte Ernährung (wenig Ballaststoffe), Alkohol, etc.

Die Betroffenen leiden unter Symptomen wie Bluten, Juckreiz oder Nässen, verbunden mit einem dumpfen Schmerz- bzw. Fremdkörpergefühl.

Bisherige Behandlungsmethoden

Je nach Größe wurden bisher die hervortretenden Schwellkörper äußerlich abgebunden oder weggeschnitten (reseziert). Diese Wunden müssen je nach Methode offen abheilen oder können genäht werden. Beides ist für den Patienten nach der Operation äußerst schmerzhaft, da sich die Wunden in einer sehr empfindlichen Körperregion befinden. Das macht einen Krankenhausaufenthalt von etwa drei Tagen erforderlich und der Patient ist bis zu vier Wochen arbeitsunfähig.

Die neuen Verfahren

HAL und RAR sind minimal-invasive Behandlungsmethoden, d.h., es wird möglichst organschonend vorgegangen. Und das Beste für Betroffene: Es wird nicht geschnitten und daher können beide Methoden als schmerzarm bezeichnet werden. Mittlerweile wurden weltweit viele medizinische Studien über die HAL- und RAR-Methode durchgeführt. Diese Studien belegen, dass die Behandlungen von Hämorrhoiden mit HAL und RAR wirkungsvoll sind.

Ein großer Vorteil für Patienten besteht in dem geringerem Schmerzempfinden. Die weiteren Pluspunkte von HAL und RAR sind:

  • minimal-invasiv, also keine offenen Wunden
  • hohe Erfolgsrate
  • Dauer des Eingriffs: ca. 30 Minuten
  • kurzer Krankenhausaufenthalt - vorausgesetzt es gibt keine Begleiterkrankungen (Fisteln, Fissuren)
  • sehr schnell wieder arbeitsfähig
  • weltweit erfolgreich angewendet bei über 250.000 Patienten

HAL im Detail:

HAL - Hämorrhoidal Arterien Ligatur - wird besonders bei Hämorrhoiden Grad II und III eingesetzt. Ein spezielles Instrument wird in den After eingeführt und an die Hämorrhoidalarterien herangeführt. Das Gerät lokalisiert mittels eines Ultraschall-Doppler-Sensors die blutführenden Arterien punktgenau und macht sie dem Chirurgen durch akustische Signale hörbar. Die Gefäße werden vom Chirurgen abgebunden (Ligatur) und die Fadenenden verknotet. Dies geschieht in einer schmerzfreien Zone des Enddarmes. Dadurch sinkt die Blutzufuhr zu den Hämorrhoiden ab und der Druck in den Gefäßen lässt nach. Die Hämorrhoidalknoten werden deutlich kleiner und verschwinden nach einiger Zeit. Die Wirksamkeit der HAL-Methode bei stadiengerechter Anwendung (Grad II und Grad III) ist mittlerweile durch viele internationale Studien belegt.

RAR im Detail:

Die RAR - Recto Anal Repair - Methode ist eine Weiterentwicklung der HAL-Operation und ermöglicht eine schmerzarme, sanfte, chirurgische Behandlung von weit fortgeschrittenen Hämorrhoidalleiden (Grad IV). RAR steht für eine Rückverlagerung der nach außen gefallenen Hämorrhoidalknoten zurück an die Stelle, wo sie hingehören. Dabei wird nicht geschnitten und es werden keine offenen Wunden gesetzt. Somit gilt diese Methode als sanft und schmerzarm für den Patienten. Das Prinzip von RAR ist einfach.  Zuerst wird eine fortlaufende Naht gemacht – von innen nach außen. Das Gerät ist speziell dafür entwickelt, dass nur das vorfallende Gewebe von der Naht erfasst wird. Die Fadenenden werden zusammengezogen und verknotet. Dadurch entsteht ein „Lifting-Effekt” - ein Anheben des vorfallenden Hämorrhoidalpolsters. Durch dieses Lifting sind die erweiterten Hämorrhoidalpolster wieder da, wo sie anatomisch hingehören. Das Gewebe vernarbt und fügt sich wieder “nahtlos” in das Enddarmgewebe ein.

Text: Robert Schäfer