Sauberkeit, Reinigung, Desinfektion: Diese Begriffe haben eine hohe Relevanz in jedem Krankenhaus. Denn gerade dort gilt es tagtäglich, den permanenten Kampf gegen Krankheitserreger zu gewinnen. Um die Patienten und Mitarbeiter zu schützen, sind im Bereich Hygiene großes Know-how, verantwortungsvolle Umsicht und auch immer wieder Kontrollen vonnöten. Am EVK ist dafür Dieter Eyl mit seiner Auszubildenden Jessica Primnitz zuständig.
Freuen sich die anderen Mitarbeiter, wenn Sie auftauchen?
Eyl (lacht): Eher nicht. Wir sind lästig. Wir stören den Ablauf. Wenn wir neue Standards vermitteln, Schulungen durchführen und vor allem wenn wir Begehungen machen, stört das die Routine auf den Stationen, in der Küche oder anderen Bereichen. Es gibt dort ohnehin meist mehr als genug Arbeit, und dann kommen noch wir und fragen zum Beispiel einfach mal so spontan nach den Einwirkzeiten einer Hautdesinfektion vor Injektionen.
Primnitz: Oder wir fragen, wie lange Hände desinfiziert werden müssen. Eyl: Ich hake bei Schwestern auch schon mal nach, ob sie wissen, wie lange eine steril verpackte Pinzette auf einer Fensterbank im Patientenzimmer liegen darf. Richtig wäre: maximal 48 Stunden. Noch besser wäre allerdings, sie liegt dort gar nicht, sondern wird staubgeschützt gelagert.
Worauf achten Sie bei Begehungen der Stationen besonders?
Eyl: Wir müssen jedes Jahr eine Hygienebegehung in jeder Abteilung machen, um zu schauen, ob baulich und technisch im Bereich Hygiene alles okay ist. Gibt es verkalkte Wasserhähne zum Beispiel? Es gibt zu so vielen Details gesetzliche Vorgaben, zum Beispiel ist gesetzlich geregelt, dass ein Blutdruckgerät desinfiziert werden muss, wer das zu machen hat und womit.
Wie sieht es mit der Wäsche aus?
Eyl: Wäsche wird außer Haus gewaschen, aber die Feuchtwischtücher reinigen wir selbst und müssen folglich prüfen, dass das auf vorgeschriebene Art geschieht. Aber unsere Begehungen umfassen noch viel mehr. Das Spektrum, das wir kontrollieren, reicht von der Medikamentenzubereitung über den Filterwechsel im OP und das Desinfizieren der Hände bis zum hygienischen Umgang mit Ultraschallgeräten oder Endoskopen.
Bei medizinischen Geräten ist Hygiene natürlich besonders wichtig …
Primnitz: Genau. Deshalb machen wir auch regelmäßig mikrobiologische Kontrollen. Das heißt, wir überprüfen, ob die medizinischen Geräte und Produkte tatsächlich so sauber sind, wie es vorgeschrieben ist. Auch andere Geräte kontrollieren wir auf Sauberkeit, etwa Waschmaschinen und Geschirrspülmaschinen. Wir machen auch Abklatschproben, das heißt, es werden flächige Proben von Oberflächen genommen und mikrobiologisch untersucht, um nachzuvollziehen, ob die Desinfektionsmethoden greifen.
Wer bestimmt, was womit desinfiziert wird?
Eyl: Die Desinfektionsmittel, die wir benutzen dürfen, müssen gelistet sein beim Verband für angewandte Hygiene. Da sind die landläufigen Mittel und Produkte, die man aus dem Drogeriemarkt kennt, nicht dabei. Welche Mittel konkret benutzt werden, entscheidet die Hygiene-Kommission auf ihren jährlich zwei Sitzungen. Daran nehmen der Ärztliche Direktor, die Pflegedienstleitung, die technische Leitung, der ärztliche Krankenhaushygieniker, die Hygienebeauftragten der Ärzte teil – und wir beide natürlich.
Wird dort zum Beispiel diskutiert, ob Desinfektionsmittel A oder B angeschafft wird?
Eyl: Genau. Was da beschlossen wird, ist im Haus Gesetz. Auch die Hausstandards werden da verabschiedet und sind dann für jeden Mitarbeiter verbindlich.
Hausstandards?
Primnitz: Neben den Begehungen sind sie unser zweiter Arbeitsschwerpunkt. Wir schreiben die Hygiene-Standards für das Haus fest.
Eyl: Das heißt, wir brechen neue Verordnungen des Robert Koch-Instituts aufs Haus herunter in knapper, lesbarer Form. Und die Inhalte werden dann auch von uns geschult.
Trotz aller hygienischen Maßnahmen kommt es vor, dass sich mal Keime in Krankenhäusern ausbreiten …
Eyl: Leider ja. Der klassische Fall ist der Norovirus. Sie lösen Magen-Darm-Infektionen (Magen-Darm-Grippe, Durchfall etc.) aus. Die Viren sind hochansteckend und können sich sehr leicht verbreiten, wenn man nichts dagegen unternimmt.
Was tun Sie in einem solche Fall am EVK?
Eyl: Sobald in unseren Einrichtungen eine meldepflichtige Krankheit bei zwei oder mehr Personen auftaucht, die einen offensichtlichen Zusammenhang haben, kommen wir ins Spiel.
Inwiefern?
Primnitz: Der Arzt oder das Labor melden die meldepflichtige Krankheit ans Gesundheitsamt, und wir zwei haben die Vorschrift, dass wir eine sogenannte Surveillance machen müssen. Das heißt: Daten erheben, erfassen, bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen. Das gilt etwa bei multiresistenten Erregern, Sepsis oder Wundinfektionen. Wir fragen: Was steckt dahinter? Wo war die Ursache? Wie hat sich der Erreger verbreitet? Wir müssen da manchmal Detektivarbeit leisten.
Eyl: Wir bekommen als Hygienefachkräfte übrigens von allen mikrobiologischen Untersuchungen die Laborbefunde. Auch da können wir bei Auffälligkeiten direkt aktiv werden, beispielsweise bei etwaigen neuen Resistenzen der Erreger in puncto Medikamente mit dem Arzt Rücksprache halten.
Vor multiresistenten Erregern (MRE) haben viele Angst.
Eyl: Im EVK sind die Patienten auch in dieser Hinsicht sehr gut aufgehoben. Wir sind 2020 durch das mre-netz region rhein-ahr zertifiziert worden und haben das „Qualitätssiegel für Hygiene in Krankenhäusern“ erhalten, das jährlich neu erworben werden muss.
Hat sich durch die Corona-Pandemie in ihrer Arbeit etwas verändert?
Primnitz: Ja. Die MRE spielen nicht mehr die größte Rolle, sie sind – allerdings nur thematisch – in den Hintergrund gerückt.
Eyl: Die Fortbildungen und Schulungen vor Ort sind intensiver geworden, in denen der Umgang mit Mundschutz, Desinfektion, Schutzkleidung und so weiter verstärkt vermittelt wird.
Primnitz: Außerdem sind wir stark involviert in die Abstrich-Abnahme.
Eyl: Wir haben die Abstrich-Stelle im Foyer des EVK aufgebaut und auch so lange selbst betrieben, bis die Kollegen dafür geschult und angeleitet waren.
Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?
Eyl: Ich hatte für Hygiene immer ein Faible. Mir ist es wichtig, dass alles strukturiert sauber gehalten wird. Deshalb habe ich mich mit fünfzig, als das Land statt externer nun interne Hygienefachkräfte vorschrieb, auf diese Stelle im Haus beworben. Es macht mir Spaß, dass ich Kontakt mit allen Mitarbeitern habe, dass ich Fragen klären kann. Und es ist auch schön zu sehen, wenn beispielsweise ein Patient nach erfolgreicher Therapie von einem MRE befreit ist.
Primnitz: Der Kontakt mit den Mitarbeitern bereitet auch mir viel Freude. Aber mir macht auch die detektivische Arbeit Spaß. Ich finde gerne heraus, ob ein Keim isoliert werden muss, welchen Weg er genommen hat und welche Desinfektionsmittel gegen ihn eingesetzt werden müssen.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten …?
Primnitz: Ich würde mir wünschen, dass ich nie wieder Schmuck bei den Mitarbeitern an Händen und Armen sehe. Auch Nagellack und Uhren sind ja verboten, weil es das Desinfizieren negativ beeinflusst. Unsere Kontrollen zeigen, dass das ab und zu vergessen wird. Unser Ziel ist es, das Zertifikat der Aktion Saubere Hände zu erringen – am besten in Gold!
Eyl: Mein Wunsch ist es, dass ich von den Mitarbeitern nicht als Kontrolleur gesehen werde, sondern als Hilfe. Als jemand, der nicht meckert, sondern der unterstützt. Es geht ja nicht nur um Patientenschutz, sondern auch um Mitarbeiterschutz. Wir sind nicht gegen, sondern für Patienten und Mitarbeiter.
Das Interview führte Ute Glaser
Das Hygiene-Duo beim EVK
Jessica Primnitz begann 1999 ihre Ausbildung zur Krankenschwester am EVK und kam nach einem kurzen Blick über den Tellerrand dorthin zurück. Derzeit durchläuft sie bei Dieter Eyl die zweijährige Zusatzausbildung zur Hygienefachkraft. Sie wird diese im Sommer 2021 abschließen.
Dieter Eyl ist gelernter Krankenpfleger und seit 1986 – mit zehnjähriger Unterbrechung – beim Evangelischen Krankenhaus (EVK) angestellt. 2011 absolvierte er die zweijährige Zusatzausbildung zum Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (kurz: Hygienefachkraft). Seither ist er für diesen Bereich am EVK zuständig.