14.08.2014

Patienten erkunden ihr gesundes schöpferisches Potential

„Fliegende Fische“ tummeln sich vor dem Eingang zur Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Evangelischen Krankenhauses Bergisch Gladbach - Projekt der Kunsttherapie

Sie sind rot-weiß gestreift, zitronengelb oder türkisblau wie das Meer in der Karibik: Fröhlich bunte Fische zieren seit neuestem die Blumenrabatte vor dem Eingang der Abteilung Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Evangelischen Krankenhauses Bergisch Gladbach. Patienten verschiedener Stationen haben in den vergangenen fünf Monaten im Rahmen der Kunsttherapie 21 Keramik-Fische aus Ton geformt und nach dem ersten Brand bunt bemalt. „Das fertige Ensemble wirkt so, als wenn ein bunter Fischschwarm aus dem Ozean auftaucht und fröhlich über ein Wellenmeer von grünen Pflanzen springt“, beschreibt Kunsttherapeutin Katrin Bruns das Ergebnis.

Der bunte Schwarm soll viele Jahre lang Wind und Wetter standhalten. Die Fische wurden zunächst auf Metallstäbe montiert und in Zusammenarbeit mit einigen Patienten nahe der Sitzecke vor dem Psychiatriegebäude mit Betonfundamenten fest installiert.

So bunt und fröhlich das Ergebnis, so ernst der Hintergrund. Die Patienten, die die Fische gestaltet haben, sind aufgrund von verschiedenen seelischen Belastungen, wie beispielsweise Depressionen, Angsterkrankungen, Psychosen und psychosomatischen Erkrankungen am EVK in stationärer Behandlung gewesen. Katrin Bruns verfolgte mit dem Projekt mehrere Ziele: Einerseits hatten die Patienten die Möglichkeit, mit ihrem individuell gestalteten Fisch einen Beitrag für das gemeinsame Projekt zu leisten und damit auch Teil der Gemeinschaft zu sein, und sie hatten so die Möglichkeit, sich über ihre Kunstwerke mit ihren Fähigkeiten zu präsentieren. Andererseits ging es darum, den Außenbereich am Gebäude zu verschönern und aufzuwerten. „Hierzu gab es schon viele positive Rückmeldungen“, berichtet Katrin Bruns.
In der Kunsttherapie am EVK arbeiten die Patienten mit verschiedenen Materialien. Sie können malen, filzen, mit Ton plastisch gestalten oder mit Holz, Stein oder Speckstein zum Bildhauer werden.

Warum das Ganze, welchen Sinn und Zweck hat die Kunsttherapie? Die Patienten, so berichtet Katrin Bruns, kommen während der Therapiestunden „zur Ruhe“, weil sie sich konzentriert mit einer Aufgabe beschäftigten. Im Rahmen des Therapieprozesses spielt der künstlerische Ausdruck eine wichtige Rolle, so Bruns. „Viele Patienten können sich über das Gestalten oftmals leichter ausdrücken als über Worte.“ Häufig sei den Betroffenen zu Beginn einer Psychotherapie noch selbst gar nicht bewusst, worin die Ursachen und Hintergründe ihrer Erkrankungen liegen. Diese lägen meistens, so Bruns, in sehr frühen belastenden Erlebnissen und Ereignissen, die oft zunächst nicht vollständig erinnert und in Worte gefasst werden können. „Über die inneren Bilder, die beim Gestalten entstehen, kann das innerlich Belastende bewusst werden und im therapeutischen Prozess der sprachlichen Ebene zugänglich gemacht werden“, erklärt die Kunsttherapeutin. Was die Patienten vorher noch nicht ausdrücken konnten, wird durch das kreative Gestalten sichtbar und für den Patienten beschreibbar.

Außerdem hilft das gestalterische Tun dem Patienten, sich von häufig wiederkehrenden, negativen Gedankenspiralen zu entlasten und sich stattdessen sinnvoll zu beschäftigen: „Der Mensch kann im künstlerischen Prozess des Gestaltens den destruktiven Kräften der Krankheit ein Gegenüber setzen und neue Lösungsmöglichkeiten erproben“, so Katrin Bruns: „Es sollen nicht der Mangel und die Verhinderungen innerhalb der Biographie des Patienten ins Bewusstsein gehoben, sondern das noch gesunde schöpferische Potential erkundet werden, also seine Möglichkeiten in der Gegenwart und Zukunft.“

Weil also die Fliegenden Fische vor der Psychiatrie so viel von der positiven Zukunft erzählen, sollen sie künftig Zuwachs bekommen. Katrin Bruns denkt daran, mit anderen Patienten noch weitere Tiere und Figuren zu gestalten und aufzustellen.