Foto: Daniel Beer - Weltweit einmalig: Jede Aussackung der Bauchaorta sieht ein wenig anders aus, deshalb ist auch jede Prothese ein Einzelstück. Chefarzt PD Dr. med. Payman Majd mit einem Modell eines betroffenen Gefäßabschnitts.
18.06.2020 Aneurysmabehandlung

Wie ein weltweit einmaliger Maßanzug

Gefäßchirurgie unter der Leitung von Chefarzt PD Dr. med. Payman Majd setzt patientenangepasste Prothesen zur Behandlung von Bauchaortenaneurysmen ein.

Was bislang nur in Unikliniken und großen Zentren möglich war, wurde jetzt erstmals auch am Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach realisiert: eine patientenangepasste Gefäßprothese zur Behandlung eines Bauchaortenaneurysmas (BAA), also einer erweiterten Schlagader. Die Prothese wird in einem aufwändigen Verfahren millimetergenau an die anatomischen Verhältnisse des Patienten angepasst.

„Das ist wie ein Maßanzug, der aber nur genau einem Menschen auf der ganzen Welt exakt passt“, erklärt PD Dr. med. Payman Majd. Schließlich müssen neben dem Durchmesser der Aorta auch die Winkel und Größen der abzweigenden Gefäße für die perfekte Passform berücksichtigt werden, wie der Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie - vaskuläre und endovaskuläre Chirurgie - erklärt.

Ein BAA wird von den Betroffenen häufig gar nicht bemerkt und oft erst durch Zufallsbefunde entdeckt. Dabei geht von einer geweiteten Hauptschlagader eine große Gefahr aus, denn wenn sie platzt, kann nur eine sofortige Notoperation helfen. Liegt der Verdacht auf ein Aneurysma vor, erfolgt die endgültige diagnostische Abklärung mit Hilfe bildgebender Verfahren. Um die Aorta wieder auf ein Normalmaß zu bringen, wird das geweitete Gefäß durch eine Prothese ersetzt.

Wenn die geweitete Stelle unterhalb der abzweigenden Nierenarterie liegt, sei die Platzierung einer Prothese relativ leicht, so Dr. Majd. „Kompliziert wird es, wenn das Aneurysma weiter oben beginnt, denn dann müssen wir die Gefäße berücksichtigen, die zu den inneren Organen abzweigen.“ Die Aussackung der Ader wird mit Hilfe der Computertomographie (CT) exakt vermessen. Mit diesen Daten wird ein Modell des betroffenen Gefäßabschnitts erstellt, das als Vorlage zur Herstellung der Prothese dient.

Weltweit gibt es nur wenige Anbieter, die solche Prothesen herstellen. Die Produktion dauert rund zwei Monate. In dieser Zeit findet ein reger Austausch zwischen Dr. Majd und den Herstellern statt. „Die Prothese muss mehrmals anprobiert werden, eben wie bei einem Maßanzug. Alles muss haargenau stimmen, die Durchmesser und die Platzierung der Öffnungen für die abzweigenden Gefäße.“ Bei der Abstimmung folgt der Chefarzt einem klaren Prinzip: „Wir machen keine Kompromisse.“

Liegt die fertige Prothese vor, wird sie in einem minimal-invasiven Eingriff über die Leiste eingeführt und mit viel Fingerspitzengefühl an der richtigen Stelle fixiert. Bei manchen Patienten ist es jedoch besser, wenn der Zugang quasi von oben, also vom Schlüsselbein aus erfolgt. „Es ist immer gut, wenn man einen Plan B hat“, weiß Dr. Majd.

Mit der patientenangepassten Prothese, die minimal-invasiv eingesetzt wird, erspart man dem Patienten eine offene Operation, bei der mit großer Wahrscheinlichkeit größere Komplikationen die Folge sein können.

Unter der Leitung des Chefarztes Dr. Majd werden in der Gefäßchirurgie am EVK regelmäßig innovative Verfahren etabliert. So haben im vorigen Jahr in einer dramatischen Rettungsaktion die Gefäßchirurgen eine 77 Jahre alte Dame davor bewahrt, innerlich zu verbluten. Erstmals wurde dabei am EVK eine geplatzte Hauptschlagader im Bereich des Brustkorbs minimal-invasiv mit Hilfe einer Prothese wieder rekonstruiert.

Text: Robert Schäfer