EVK-Chefärztin Dr. med. Daniela Müller-Gerbes sprach beim Patientenforum des Tumorzentrums Rhein-Berg über Krebsvorsorge - (Foto: Daniel Beer).
03.11.2023 Quirlsberg - Diakonischer Gesundheitscampus

Gebündelte Kompetenz unter einem Dach

Tumorzentrum Rhein-Berg veranstaltete erstes Patientenforum im Bergischen Löwen.

Die wichtigste Botschaft vorab: In Zeiten wachsender Verunsicherung angesichts immer neuer Reformen und Umstrukturierungen im Gesundheitswesen versteht sich das Tumorzentrum Rhein-Berg als ein verlässlicher Partner für Patienten mit einer Tumorerkrankung. Diesem Netzwerk, dem seit seiner Gründung 2018 inzwischen über 50 Mitglieder angehören – darunter Krankenhausärzte, aber auch Niedergelassene, Psychoonkologen, Ernährungsberaterinnen und Physiotherapeuten aus dem gesamten Rheinisch-Bergischen Kreis – bündelt „Kompetenz vor Ort“ und diese „unter einem Dach“.

Das jedenfalls waren die Stichworte, an denen entlang Dr. Horst-Dieter Weinhold, Strahlentherapeut und Radioonkologe in Bergisch Gladbach sowie Vorsitzender des Tumorzentrums, die Arbeit dieses einmaligen Zusammenschlusses beim ersten Patientenforum im Bergischen Löwen vorstellte. „Wir koordinieren viele, in der Region vorhandenen medizinischen Kompetenzen. Das Ziel ist eine optimierte Versorgungssituation von Menschen mit Krebskrankungen, die von der Vorsorge über die Behandlung bis hin zur Nachsorge reicht, zumal wir alles hier am Ort haben und damit – im doppelten Wortsinn – nah am Patienten sind“, so Weinhold. „Uns geht es um die bestmögliche Therapie für jeden Einzelnen. Denn eine Tumorerkrankung bedarf einer professionellen und koordinierten Behandlung, idealerweise ohne lange Wartezeiten oder Wege – dafür steht unser Netzwerk“, betonte der Mediziner.

„Im Tumorzentrum werden alle Informationen zusammengetragen, um dann eine gemeinsame Entscheidung zu treffen, die eine individuelle und bestmögliche Therapie für jeden Patienten garantiert.“ Die enge Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, niedergelassenen Onkologen und Experten in den spezialisierten Zentren der lokalen Krankenhäuser – im Darmzentrum, Prostatazentrum, im Brust- oder Lungenzentrum – ergänzt durch Spezialisten in der Diagnostik, Pathologie, Radiologie und Chirurgie, gewährleiste eine Struktur, die für optimale Abläufe sorge und ausschließlich dem Patienten zugutekomme. „Ein großer Vorteil ist, dass wir Ärzte uns alle untereinander kennen und wir hier sämtliche Krankheitsbilder – bis auf wenige exotische – behandeln können.“

Wie schütze ich mich vor Krebs? Wie sieht eine gute Ernährung bei einer Tumorerkrankung aus? Ist eine Heilung auch ohne OP und Chemo möglich? Diese Fragen und die neuesten Entwicklungen in der Versorgung von Krebspatienten standen dann auf der Agenda der Referenten, die vor rund 60 Betroffenen und ihren Angehörigen in allgemein verständlicher Sprache zum Teil recht komplexe medizinische Sachverhalte erläuterten.

„Vorbeugen ist besser als heilen.“ Und: 40 Prozent aller Malignome seien vermeidbar. Mit dieser Feststellung eröffnete Dr. med. Daniela Müller-Gerbes, Chefärztin der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie am Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach, ihren Vortrag. Zur Prävention könnten eine Lebensstiländerung zum Beispiel zugunsten einer gesunden Ernährung, Vorsorgeuntersuchungen, gegebenenfalls Impfungen, aber auch Aufklärung beitragen. Zudem sei die Früherkennung von Wucherungen unkontrolliert wachsender Zellen, die ursächlich für Krebs seien, immens wichtig, betonte sie. „Es gibt Faktoren, die beeinflussbar sind, zum Beispiel der Nikotin- und Alkoholkonsum, mangelnde Bewegung und Übergewicht, die in der Summe ein erhöhtes Krebsrisiko von fast 40 Prozent ausmachen“, zeigte Dr. Müller-Gerbes anhand von Statistiken auf.

Außerdem betonte sie die inzwischen guten Heilungschancen bei Brust- und Prostatakrebs, den häufigsten Tumorerkrankungen, aber auch die von Darm-, Haut- oder Gebärmutterhalskrebs – vorausgesetzt, sie werden in einem frühen Stadium durch die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen erkannt. Gerade für potenziellen Haut- oder Darmkrebs gebe es Screeningangebote, die aber immer noch von viel zu wenigen wahrgenommen würden. Zu Präventionsmaßnahmen gehöre auch, die eigenen individuellen sowie familiärbedingten Risikofaktoren zu kennen und dann gegebenenfalls sogar die angebotenen Untersuchungen schon vorzeitig in Anspruch zu nehmen, um die Wahrscheinlichkeit einer eigenen Erkrankung frühestmöglich zu reduzieren, so die Expertin. Ihr Mut machendes Fazit: „Die Krebsmedizin hat enorme Fortschritte gemacht. Heute sterben deutlich weniger Menschen an Krebs als früher.“ Sie endete mit einem Appell an ihre Zuhörerinnen und Zuhörer: „Leben Sie nicht in Angst vor Krebs!“
 
Hoffnung, dass Krebs nicht das Ende bedeuten muss und trotz einer Krebstherapie noch viel Lebensqualität möglich ist, machte auch Manuela Reimann, onkologische Ernährungsberaterin und Diätassistentin. „Essen soll Spaß machen!“ Mit diesem Satz will die Overatherin Krebspatienten die Angst vor schwierigen Diäten oder Ernährungsformen nehmen. „Wer sich gesund und noch dazu seiner Krankheit gemäß ernähren möchte, der muss auf Genuss nicht verzichten“, ist sie überzeugt. Die Expertin stellte dar, aus welchen Produkten sich eine gute Ernährung bei einer Tumorerkrankung zusammensetzt, was es heißt, sich gesund zu ernähren und wie Mangelernährung definiert wird. Gerade weil Krebspatienten oft kein Hungergefühl hätten, sie eher ungewollt an Gewicht verlieren und unter Therapienebenwirkungen wie raschem Sättigungsgefühl oder Entzündungen im Mund leiden würden, empfahl sie grundsätzlich – auch um Nährstoffverluste auszugleichen – eine eiweißreiche Ernährung mit Milch-, Kartoffel- und Getreideprodukte. Bei anhaltender Appetitlosigkeit solle man aber vor allem das essen, was man gerne möge. Natürlich gelte es immer, die konkrete Krankheitssituation zu berücksichtigen, so dass sich im individuellen Fall auch eine ernährungstherapeutische Beratung anbiete.

Denn Essen solle bekömmlich, wohltuend und schmackhaft sein, argumentierte Reimann. Und gleichzeitig müsse verhindert werden, dass es zu Mangel- oder Unterernährung komme und damit zu einem anhaltenden Defizit an Energie. Die Ernährungsfachfrau riet grundsätzlich zu einer optimalen Zusammenstellung der Ernährung, die sich aus viel Gemüse, maximal 400 Gramm Fleisch pro Woche, eventuell zweimal wöchentlich Fisch, Obst, Vollkornprodukten, in Maßen Milchprodukten, gesunden Fetten wie Oliven- oder Rapsöl und anderthalb bis zwei Litern Getränke zusammensetzt. Schließlich sei gesunde Ernährung bereits bei der Prävention von Krebs ein wichtiger Baustein.

Über Heilung durch Präzisionsonkologie, sprich individualisierte, zielgerichtete Therapien mit neuen Medikamenten, aber insbesondere auch der Immuntherapie, sprachen schließlich die beiden in Bergisch Gladbach und Bensberg niedergelassenen Onkologen Dr. David Bórquez und Dr. Dirk Hennesser. „Wir sind schon jetzt in der Lage, mit der Immuntherapie und anderen Substanzen verschiedene Tumore, zum Beispiel Magen- oder Darmkarzinome, ganz ohne Chemotherapie und Operationen zu heilen“, erklärten die Krebsexperten, die diese Option als „Gamechanger“ und den allgemeinen Trend weg von der Chemotherapie als „revolutionär“ bezeichneten, zumal Operationen sowie die Strahlen- oder Chemotherapie nur noch etwas mehr als 50 Prozent insgesamt ausmachten und die Immuntherapie bei der verbleibenden Hälfte aller Fälle anwendbar sei. Eine starke Forschungsaktivität, außerdem umfassende Biomarker-Testungen führten zu immer mehr Innovationen; allein 2021 habe es etwa 30 neue Therapien gegeben. Das Ergebnis sei, dass Präzisionstherapien immer häufiger zum Verschwinden des Tumors führten, so dass komplette Remissionen in vielen Fällen den Organerhalt ermöglichten. Die Zahlen sprächen für sich. „Schon jetzt gibt es eine hohe Überlebensrate bei Haut-, Brust- und Prostatakrebs.“

In diesem Kontext sprach Hennesser von einem „wahnsinnigen Fortschritt“ und „großer Hoffnung im Kampf gegen den Krebs“. Die Tumormarker lieferten inzwischen sehr präzise Informationen, die jeweils die Besonderheiten veränderter Zellen identifizierten, so dass hier oft gezielt mit einer viel verträglicheren und zum Teil auch effektiveren und schonenderen Tablettentherapie als der klassischen Chemotherapie behandelt werden könne. Inzwischen gäbe es verschiedene Generationen von Medikamenten, die zum Einsatz kommen könnten. „Wir schauen nach möglichst vielen Zellveränderungen, um dann eine zielgerichtete Therapie anwenden zu können“, sagte der Hämato-Onkologe. So sei früher mancher Leukämie-Typ tödlich verlaufen, heute aber gelte genau dieselbe Erkrankung als chronisch. „Das ist ein Meilenstein“, konstatierte er.

Der Vorteil der Immuntherapie sei, dass sie die Fremdzelle im Körper erkenne und diesen in die Lage versetze, sich selbst gegen diese pathologische Zelle zu wehren. So würde nur noch ein Viertel der Patienten mit einer Chemotherapie behandelt, zumal bei einer Vielzahl an Tumoren eine zielgerichtete Therapie greife. Nicht immer gebe die Entwicklung Anlass zur Euphorie, zumal eine Therapie immer auch Nebenwirkungen habe. Und dennoch bedeute der Einsatz zielgerichteter Therapien, einschließlich der Immuntherapie, unterm Strich mehr Chancen als Risiken und werde stets von allen Medizinern im Tumorzentrum als Option geprüft.

Dass der Rheinisch-Bergische Kreis mit diesem Tumorzentrum gut aufgestellt ist, hatte zuvor bereits Anna-Maria Scheerer, die Erste stellvertretende Bürgermeisterin von Bergisch Gladbach, in ihrem Grußwort an die Teilnehmenden des Patientenforums betont. „Um bei der Diagnose Krebs bestmöglich helfen zu können, braucht es viele fähige Ärztinnen und Ärzte und eine Bündelung an Wissen.“ Sie sei sehr froh und auch ein wenig stolz, dass es eine solche Institution in der Stadt gebe, die diese Kompetenzen, insbesondere bei der Tumortherapie, verbinde und sich vor Ort engagiere. „Durch Zusammenarbeit und Organisation unserer Krankenhäuser, den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie anderer Einrichtungen wird dies hier in hervorragender Weise gewährleistet“, stellte Scheerer wörtlich fest. Das Wohl des Menschen stehe bei dieser Form koordinierter Diagnostik, Behandlung und Nachsorge immer im Vordergrund.

Text: Redaktion