Pastor Dr. Rainer Fischer und Pastoralreferent Michael Begerow-Fischer verantworten die Seelsorge im EVK - (Foto: Ute Glaser).
10.03.2022 Seelsorge

Im Doppel geht es besser

Zweimal Fischer, zweimal ethisch-religiöse Kompetenz: Im EVK hat der langjährige evangelische Seelsorger wieder einen katholischen Kollegen an seiner Seite.

Die beiden Männer sind zurückhaltend, eher leise, aber durchaus lustig, ein bisschen verschmitzt. Sie sind Krankenhausseelsorger: Dr. Rainer Fischer ist evangelischer Pastor, Michael Begerow-Fischer katholischer Pastoralreferent. Sie arbeiten im Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach (EVK) seit September im Doppel, um Ansprechpartner, Zuhörer und Begleiter für Patienten zu sein. Ein ethischreligiöses Angebot, das für Seele und Heilung so wichtig ist, dass es sogar in der Verfassung der Bundesrepublik verankert ist. Dort ist die Krankenhausseelsorge garantiert.

Herr Fischer, Sie haben nun einen zweiten Fischer an Ihrer Seite …

Fischer (lacht): Ja, das war aber keine Einstellungsvoraussetzung. Ich bin froh, dass nach dem einen Jahr Vakanz wieder ein katholischer Kollege da ist.

Begerow-Fischer (grinst): Ursprünglich ist das auch der Name meiner Frau.

Der erste Eindruck soll entscheidend sein. Wie ist Ihrer vom EKV, Herr Begerow-Fischer?

Begerow-Fischer: Mir fällt auf, dass das Personal überdurchschnittlich zugewandt ist gegenüber den Patienten und auch untereinander. Es geht hier auch weniger hektisch zu als an dem Klinikum, wo ich vorher war. Das hilft mir, anzukommen.

Zweimal Fischer – ist der Name Programm? Möchten Sie „Menschen fischen“, wie es in der Bibel heißt?

Fischer: Das klassische Bild „Ich komme, um zu missionieren“ ist weg. Wir gehen auch nicht von Tür zu Tür.

Wie kommen dann Kontakte zustande?

Fischer: Wir kommen auf Anfrage. Und unsere Bürotür steht meistens offen.

Begerow-Fischer: Die Patienten selbst oder auch die Mitarbeiter kommen auf uns zu und sagen: Der oder die braucht Seelsorge. Das empfinde ich als angenehm, denn es ist ein Zeichen für kollegiales Miteinander.

Wie reagieren die Menschen, wenn Sie in der Tür stehen?

Fischer: In 90 Prozent der Fälle höre ich als erstes eine Entschuldigung, warum sie nicht in die Kirche gehen. Ich sage dann meistens: „Wenn es für Sie nicht wichtig ist – für mich ist das jetzt eigentlich nicht das Thema.“ Ein Lieblingsspruch von mir ist: „Ich bin nicht der verlängerte Zeigefinger der Kirche.“ Manche mutmaßen auch, es gehe mit ihnen zu Ende, wenn ich auftauche, nach dem Motto „Wenn der Pastor kütt, es et soweit“. Diese geprägte Rolle als Pastor ist oft hinderlich, sie stellt zunehmend eine Barriere da. Sie wird eher mit der Organisation Kirche verbunden statt mit Seelsorge und Gespräch. Tatsächlich gibt es viele Patienten, die Brüche mit der Kirche erlebt haben.

Begerow-Fischer: Es ist gut, darüber zu sprechen. Es schafft Vertrauen und Tiefe, wenn sie von den Brüchen erzählen. Da kann man Verständnis zeigen und manchmal auch ein stückweit heilen.

Fischer: Ja, die Distanz baut sich relativ schnell ab, wenn man ein offenes Ohr hat und miteinander spricht. Wenn dann eine Öffnung erfolgt, ist das sehr schön. In der Regel bin ich erstaunt, wie ich mich plötzlich auch mit nichtreligiösen Menschen oder Menschen anderer Religionszugehörigkeit auf einer sehr vertrauten Ebene befinde und Dinge erfahre, die zum Teil die Familien nicht mal kennen.

Worum drehen sich die Gespräche?

Begerow-Fischer: Es geht oft um existenzielle Fragen: Angst vor dem Tod, Trauer, Sinn des Lebens …

Fischer: … Angst vor der OP, Verbundenheit, Zugehörigkeit, Liebe und Hass. In Corona-Zeiten ging es auch häufig um Existenzängste. Dabei ist wichtig: Wir sind nicht nur für die Patienten da, sondern auch für die Mitarbeiter. Das war gerade während des Corona-Lockdowns gefragt.

Ist der evangelische Seelsorger für evangelische Menschen zuständig und der katholische für Katholiken?

Begerow-Fischer: Nein, das ist egal. Es kommt bei einer Anfrage der Seelsorger, der zuerst kann. Bei den meisten Gesprächen spielen konfessionelle Unterschiede für die Leute keine Rolle. Was wir menschlich anbieten, ist in der Qualität ja nicht viel anders. Es kommt mir vor wie zwei Dialekte einer Sprache. Man versteht den anderen, fühlt sich mit dem bekannten aber manchmal etwas heimischer.

Fischer: Wird etwas konkret angesprochen, das der Kollege besser bedienen kann, leiten wir die Anfrage an ihn weiter.

Sie sind beide als Ethikberater im Gesundheitswesen ausgebildet, auch im Palliativ-Bereich. Was bieten Sie den Menschen außer Gesprächen noch an?

Fischer: Wir versuchen zu trösten, also Rückhalt zu geben und heilende Kräfte zu stärken. Wir beten auf Wunsch gemeinsam. Wir verschenken einen kleinen Engel. Manche bitten: Können Sie mir einen Segen geben. Wir feiern Abendmahl beziehungsweise Kommunion im Zimmer. Wir machen außerdem Krankensalbungen und ich feiere immer in der Passionszeit einen Salbungsgottesdienst, der sehr gut angenommen wird. Es ist ein intensiverer Segen – gerade in bedrohlichen Situationen. Eine Salbung geht buchstäblich unter die Haut.

Begerow-Fischer: Ab und an geht es um Rituale. Eine Patientin wünschte sich, um aushalten zu können, öfters die Krankenkommunion. Sie sagte, dieser kleine Besuch stärke sie. Leider wird die Salbung bei den Katholiken oft als „letzte Ölung“ missverstanden. Kein Mensch muss nach einer Krankensalbung sterben!

Fischer: Das gleiche gilt bei evangelischen Menschen fürs Abendmahl. Das wird leider oft als Abschiedsritual empfunden, kann aber jederzeit Trost spenden.

Was ist für Sie die größte Herausforderung bei Ihrer Tätigkeit?

Begerow-Fischer: Ich muss mich mit einer inneren Freiheit auf den anderen Menschen einstellen können. Ich stelle mich wie ein Instrument zur Verfügung, auf dem der andere spielen kann und durch die Resonanz etwas über sich erfahren oder sich entwickeln kann. Es braucht Empathie, ohne dass man vergisst, wer man selber ist.

Fischer: Die größte Herausforderung ist, dass man sich mitbringt, ohne sich mitzubringen. Da zu sein mit aller Kompetenz und Erfahrung ohne das Gespräch zu dominieren.

Wie sehen Sie Ihr Miteinander in Zukunft?

Fischer: Wir waren hier am Krankenhaus immer ökumenisch gut aufgestellt. Es ist bereichernd, sich auszutauschen.

Begerow-Fischer: Wir können uns ergänzen, das bietet mehr Freiraum auch für Fortbildungen fürs Haus oder auch mal für uns selbst. Und ich bin froh, dass mein Kollege hier in den Strukturen des Hauses so präsent ist, zum Beispiel in der Ethik-Kommission sitzt. Die Perspektive fühlt sich gut an.

Das Interview führte Ute Glaser. Erstmalig erschienen in der EVK-Stippvisite Winter 2021. 

Hintergrund

Dr. Rainer Fischer ist Pastor und als evangelischer Seelsorger seit 2004 am EVK angestellt. Zuvor war der 59-Jährige acht Jahre in Köln-Dünnwald als Gemeindepfarrer tätig. Es ist eine Seltenheit, dass ein Krankenhauspfarrer solch eine umfangreiche Stelle bekleidet und direkt der Geschäftsführung unterstellt ist. Zu seinem Tätigkeitsfeld gehören neben dem Krankenhaus auch die Senioreneinrichtungen, die Psychiatrie und seit 2020 das stationäre Hospiz.

Michael Begerow-Fischer ist Pastoralreferent und seit September 2021 am EVK tätig. Angestellt ist der 54-jährige Katholik beim Erzbistum Köln mit einer 50-50-Stelle: Zu 50 Prozent arbeitet er als Seelsorger im Krankenhaus und in der Rehaklinik Reuterstraße, zur anderen Hälfte fungiert er als Beauftragter für Ethik im Gesundheitswesen in der Abteilung Seelsorge im Sozial- und Gesundheitswesen des Erzbistums. Zuvor war er 21 Jahre in Wuppertal tätig, überwiegend als Krankenhausseelsorger.

Die beiden Theologen haben in der Seelsorge ehrenamtliche Unterstützung am EVK: Zum einen durch die Grünen Damen und Herren, zum anderen durch drei ausgebildete „Ehrenamtliche in der Seelsorge“.

Gottesdienste

Evangelischer und katholischer Gottesdienst wechseln sich ab: jeden Donnerstag um 18.30 Uhr in der Kapelle im 5. Stock des Krankenhauses Alle Gottesdienste werden über den Hauskanal live übertragen. Patienten können sie kostenlos mithören oder per TV-Karte auf dem Bildschirm verfolgen.